Ausstellung: Weihnachten im Wandel der Zeit
Der Tannenbaum im deutschen Wohnzimmer
bbiew03.12.2014 bbiew Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
In der Ausstellung sind Fotografien von 1900 bis 1945 zu sehen, die ein Berliner Ehepaar jedes Jahr an Weihnachten von sich per Selbstauslöser gemacht hatte. Auch wenn sie nicht wohlhabend waren, so schien es ihnen doch an nichts zu mangeln. Der Mann, ein Beamter der Reichsbahn, war ein begeisterter Fotoamateur und lichtete sich gern mit Zigarre im Mund ab neben dem illuminierten und mit reichlich Lametta behängten Weihnachtsbaum. Ganz ähnlich sieht auch der Weihnachtsbaum aus, der eigens für die Ausstellung im Haus der Kirche aufgestellt wurde. Darunter liegen „historische“ Geschenke - unter anderem eine Fotokamera aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, eine metallene Wärmflasche oder eine geklöppelte Bluse.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten
„Die Fotos sind zeitgeschichtliche Dokumente. Sie geben einiges über die jeweiligen Jahre, über gute und schlechte Zeiten preis“, erklärte die Bildungsreferentin des Evangelischen Dekanats, Birgit Geimer. So steht das Ehepaar Weihnachten 1917 in dicken Mänteln vor dem Weihnachtsnaum. In diesem Kriegsjahr herrschte Kohlenknappheit. Zehn Jahre später, 1927, schwimmen die beiden auf der Elektro-Welle und fotografieren sich mit ihrem ersten elektrischen Staubsauger. Bei der Eröffnung der Ausstellung waren auch historische Tondokumente zu hören etwa das von Robert Steidler 1913 gesungene, damals beliebte Weihnachtslied „Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätä“.
„Weihnachtsfrieden" an der Front
Ein anderes Foto zeigt das Ehepaar im ersten Weltkriegsjahr 1914 sitzend vor dem Weihnachtsbaum. Im Hintergrund ist eine Karte zu erkennen, auf der mit Reißzwecken der Verlauf der Westfront markiert ist. Dazu wurden bei der Ausstellungseröffnung Texte vorgetragen, die an den so genannten Weihnachtsfrieden erinnerten. An vielen Abschnitten der Westfront kommt es Weihnachten 1914 im Niemandsland zu spontanen Verbrüderungen der Soldaten, die kurz vorher noch aus ihren Schützengraben aufeinander geschossen hatten. Für Stunden, an einigen Frontabschnitten auch für einige Tage, schweigen die Waffen. Die Soldaten verlassen ihre Schützengräben. Geschenke werden ausgetauscht, Kerzen entzündet und Weihnachtslieder gesungen. Deutsche und britische Soldaten spielen sogar Fußball miteinander. Dieser Waffenstillstand – von den jeweiligen Heeresleitungen nicht autorisiert und mit Argwohn betrachtet – bleibt auf Weihnachten 1914 beschränkt. Am Ende hatte der 1. Weltkrieg 17 Millionen Menschen das Leben gekostet.
Das Berliner Ehepaar scheint konservativ, monarchistisch gesinnt gewesen zu sein. Noch an Weihnachten 1921, drei Jahre nach Abdankung des deutschen Kaisers, ist an der Wand neben dem Weihnachtsbaum das Porträt von Wilhelm II. zu sehen. Über ihre politische Einstellung zum Nationalsozialismus verraten die Weihnachtsfotos nichts. Zeittypisch sind die Aufnahmen dennoch. 1937 zum Beispiel posiert das Ehepaar stolz mit einem Volksempfänger unterm Baum. Weihnachten 1940 – der Berliner Dom war kurz zuvor von einer Fliegerbombe getroffen worden - verbringt das Ehepaar ihr zweites Weihnachten im Wintermantel. Das Weihnachtsfest 1945 hat die Frau nicht mehr erlebt. Sie starb am 23. August 1945 laut Register der Friedhofsverwaltung „an allzu großer Abmagerung“. Der Mann lebte bis 1955.
Die Ausstellung „Weihnachten im Wandel der Zeit“ ist bis Ende Januar 2015 im Haus der Kirche, Ludwigstraße 13, Heppenheim zu sehen. Öffnungszeiten sind werktäglich (außer montags) von 9 bis 12 und 14 bis 16 Uhr sowie nach Vereinbarung. Der Eintritt ist frei.
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