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Buchmesse 2013

Brasilianisches Graffiti an Frankfurter Matthäuskirche

Erika von Bassewitz"Mortoboy" von Speto an der Frankfurter Matthäuskirche

Groß und gelb prangt das Graffiti an der Wand der Matthäuskirche. Die Gemeinde freut sich: Denn der Künstler arbeitet im Auftrag der renommierten Kunsthalle Schirn.

Bildergalerie

Erika von BassewitzSpeto betrachtet sein Kunstwerk

Mitte August 2013 kommt ein Brasilianer zur evangelischen Hoffnungsgemeinde in Frankfurt. Doch die Kirche und den Gebetsraum betritt er selten, stattdessen klebt er die freie Außenwand der Matthäuskirche in unregelmäßigen Abständen ab und bemalt sie. Gelb. Quietschgelb. Zum Teil auch blau und weiß. Schnell wird klar: Die Matthäuskirche ziert ein Graffiti. Neben den verspiegelten Fassaden der umliegenden Hochhäuser wirkt es besonders bunt und fällt ins Auge. Trotzdem lässt die Stadt es nicht entfernen wie sonst üblich. 

Schirn holt brasilianische Straßenkunst nach Frankfurt

Denn der Graffiti-Künstler Speto wurde von der Kunsthalle Schirn eingeladen. Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse hat die Schirn elf Künstler oder Künstlergruppen aus dem diesjährigen Gastland Brasilien gebeten, an zentralen Orten der Frankfurter Innenstadt zu arbeiten. „Wir haben bewusst Orte gewählt, die normalerweise jenseits von Graffiti sind, an denen das eigentlich nicht denkbar ist“, erklärt Schirn-Direktor Max Hollein. Dazu zählen das ehemalige Polizeipräsidium, die Deutsche Bank oder die Matthäuskirche.

Ein Graffiti für die Matthäuskirche

Die dortige Gemeinde hat sich das Programm Kirche, Wirtschaft, Kunst auf die Fahnen geschrieben. Trotzdem war Pfarrerin Jutta Jekel nervös: „Wir wussten nicht, was dort hin kommt. Was wäre, wenn das Bild ganz schrecklich wäre? “ Denn vorher ansehen und auswählen konnten sie es nicht. 

Für seine 4-jährige Tochter überlistet er den Tod

Speto hat das Wandbild speziell für die Matthäuskirche entworfen. Es erzählt die fiktive Geschichte eines motoboy, eines Motorradkuriers, der in den überfüllten Straßen von São Paulo den Tod ausliefert, um sich und seiner kleinen Tochter das Überleben zu sichern. Als der Tod aber die Tochter fordert, überlistet ihn der Kurier und rettet seinem Kind das Leben.

„Kirche steht für Vergebung“

Der Milchzahn auf dem Bild stehe für die Tochter, das Symbol oben rechts für den nordöstlichen Stadtteil São Paulos, erklärt der Künstler. Auf der Spitze ist eine Kirche zu sehen. „Sie steht für Vergebung. Wir können nicht über andere Menschen urteilen, denn wir kennen ihre Gründe und Vergangenheit nicht, “ betont Speto. „Meine Arbeit ist zwar durchaus naiv, aber sie soll auch zum Nachdenken anregen und positive Stimmung verbreiten.“ Bei Pfarrerin Jekel hat er genau das erreicht: Ihre nächste Predigt handelt von der Geschichte des motoboy.

Speto
gehört zur ersten Generation von „Graffiteros“, wie die brasilianischen Graffiti-Künstler genannt werden. Nach dem Ende der Militärdiktatur 1985 drängten sie auf die Straße - oft mit politischen Botschaften und narrativer Bildsprache. Aus Material- und Geldmangel verwendeten viele Fassadenfarben anstelle von teurem Spray. Jeder Künstler hat seinen eigenen konzeptionellen Ausgangspunkt. Der 42-jährige Speto kam 1985 durch den US-amerikanischen Film „Beat Street“ zum Graffiti.

Seine Werke aber basieren oft auf den Geschichten der typisch brasilianischen Literatura de Cordel (Literatur auf der Schnur). In dünnen Heften verbreiten die Autoren besonders im Nordosten Brasiliens ihre Texte, die von Märchen über Erzählungen bis hin zu Berichten ungewöhnlicher Ereignisse reichen. Sie vereinen collagenhaft indigene Legenden, christliche Motive und afrikanische Kultur. Kostengünstig gedruckt und mit Zeichnungen oder Holzschnitten illustriert, hängen die Hefte an Marktständen auf Schnüren wie an einer Wäscheleine (Cordel). Ausgangspunkt von Spetos Bild an der Matthäuskirche ist eine selbstgeschriebene Cordel-Dichtung über den skurrilen Tag im Leben eines Motoboys. Die Einwohner São Paulos bezeichnen mit diesem Begriff die etwa 220.000 Motorradkuriere der Stadt, von denen viele bei ihren täglichen Fahrten durch den dichten Verkehr ums Leben kommen.

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