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Studie

An den Grenzen? Ausländerbehörden zwischen Anspruch und Alltag

Bertelsmann Stiftung

Die lokalen Ausländerbehörden sind zum Flaschenhals der deutschen Migrationspolitik geworden. Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung sind Thorsten Schlee, Hannes Schammann und Sybille Münch der Frage nachgegangen, welche aktuellen und strukturellen Ursachen die Belastung der Ausländerbehörden hat und wie die Mitarbeitenden ihren Arbeitsplatz und ihre Aufgaben wahrnehmen. Die Ergebnisse werden in der Studie „An den Grenzen? Ausländerbehörden zwischen Anspruch und Alltag" anschaulich dargestellt und pragmatische Möglichkeiten zur Entlastung aufgezeigt.

Erfolgreiche Migrationspolitik braucht effektive Ausländerbehörden, die neues Recht bei Fachkräfteeinwanderung, Aufenthaltsmöglichkeiten und Einbürgerungen, aber auch Abschiebungen umsetzen. Aktuell häufen sich Berichte über lange Wartezeiten, nicht bearbeitete Anträge und mangelnde Erreichbarkeit. Vor diesem Hintergrund hat die Bertelsmann Stiftung eine Studie zur Situation der Ausländerbehörden in Auftrag gegeben, die von Hannes Schammann, Sybille Münch von der Universität Hildesheim und Thorsten Schlee von der Universität Duisburg-Essen erarbeitet wurde. Als Datengrundlage dienten qualitative Interviews, Plenarprotokolle und eine Umfrage unter 90 Ausländerbehörden.

Zentrale Befunde: Belastung, Doppelarbeit, schleppende Digitalisierung, Frustration

Alle befragten Behörden bestätigen, dass die Arbeitsbelastung in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, drei Viertel monieren eine zu hohe Geschwindigkeit bei neuen Gesetzesinitiativen. Faktoren sind neben dem Anstieg der Einwanderungszahlen auch die Komplexität des Rechtsbereichs mit teils vagen Umsetzungsbestimmungen. Das führt zu einem Übermaß an Vorsprachen und Mehrfachprüfungen, z.B. von Dokumenten, die bereits von einer anderen Behörde wie dem Jobcenter gesichtet wurden. Die Digitalisierung der Behörden ist bislang wenig fortgeschritten: Nur rund ein Viertel verfügt über die Möglichkeit digitaler Antragstellung. Digitalisierung wird zudem vielerorts als Belastung gesehen, manche Prozesse werden zumindest vorübergehend sogar verlangsamt. Auffällig ist das hohe Frustrationspotenzial beim Personal. Viele erleben Zielkonflikte und fühlen sich bei weitreichenden Ermessensentscheidungen allein gelassen. Keine Behörde beurteilt den Ausbildungsstand als ausreichend, es gibt kaum Einarbeitung oder Supervision.

Lösungsansätze: Reduktion und Zentralisierung von Aufgaben, smarte Digitalisierung, bessere Personalpolitik und Umsetzungstauglichkeit neuer Gesetze

Der schnellste Weg zu einer Entlastung der Ausländerbehörden führt über eine Reduktion von unnötigen Prüfaufträgen. Bundes- und Landesbehörden sollten rasch gemeinsam mit Ausländerbehörden, Arbeitgebern und zivilgesellschaftlichen Akteuren nach Vereinfachungspotenzialen, aber auch Leitplanken zur Auslegung von Ermessen suchen. Die Zentralisierung bestimmter Aufgaben in einem kommunalen Amt für Migration oder in einer Landesausländerbehörde muss geprüft, bestehende Konzepte evaluiert werden. Die Digitalisierung bei Antragstellung und Workflow ist notwendig, aber Schnellschüsse und Insellösungen sind zu vermeiden. Das Personal in Ausländerbehörden ist aufzustocken und je nach Komplexität der Aufgaben höher einzugruppieren. Ausbildung, Einarbeitung und Fortbildung sind zu verbessern, Supervision ist nötig. Weniger, aber dafür wirkungsvolle Gesetzesänderungen dürften das Personal besonders stark entlasten. Statt auf politische Sichtbarkeit und gefühlte Effekte zu setzen, sollte die Gesetzgebung standardmäßig die Folgen der Innovationen abschätzen und die Implementations- und Integrationswirkungen systematisch evaluieren.

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